„V6E“ ist nicht nur der Titel dieser Webseite, es ist auch die Typenbezeichnung der letzten Hamburger Straßenbahn-Triebwagen. Dabei steht das „V“ für Vierachser. Die „6“ steht für das Modell, denn davor gab es bereits die Serien V1 – V5 und danach noch den V7. Das „E“ steht für „Einmannwagen“, denn ursprünglich bezeichnete man die Triebwagen nur als „V6“. Diese Fahrzeuge gehörten zur letzten aktiven Baureihe der Hamburger Straßenbahn. Aber der Reihe nach.
Ein Neuanfang
103 Triebwagen des Typs V6 wurden zwischen 1949 und 1952 bei den Fahrzeugherstellern Linke-Hofmann-Busch (LHB) und der HHA-Straßenbahnhauptwerkstatt am Falkenried gebaut. Es handelte sich um die ersten Nachkriegsentwicklungen. Sie sahen den V5-Triebwagen, die während des Krieges gebaut wurden, mit ihren spitz zulaufenden Wagenenden auf den ersten Blick sehr ähnlich, unterschieden sich jedoch von allen vorigen Bauarten der Hamburger Straßenbahn wesentlich. Neben breiten Schiebetüren im Heck verfügten die Wagen über eine Mitteltür sowie eine einfache Schiebetür im vorderen Bereich.
Eine wesentliche Neuerung beim V6 war der „Fahrgastfluss“. Der Schaffner kam jetzt nicht mehr, wie bei den Pendelwagen, zum Fahrgast an den Platz und kassierte. Stattdessen stieg man an der hinteren, breiten Tür ein, passierte den festen Arbeitsplatz des Schaffners und bezahlte seinen Fahrschein. Ausgestiegen wurde ausschließlich in der Mitte oder vorne. Zu den V6-Triebwagen gab es auch die passenden Beiwagen. Diese bezeichnete man als V6B.
Zwischen 1953 und 1957 wurde der Nachfolgertyp des V6, der V7 ausgeliefert. Die V7-Züge unterschieden sich äußerlich durch eine andere Form der Klappfenster und eine veränderte Fensteranordnung. Die Beiwagen wurden zwecks Gewichtsersparnis in genieteter Aluminium-Bauweise erstellt. Es war die letzte Neubaureihe für die Hansestadt.
Spitzname „Sambawagen“
Beim Anfahren und Bremsen sollen sich die stehenden Fahrgäste mit einem großen Schritt haben abfangen müssen, um sicheren Halt zu behalten. Da zu dieser Zeit der Samba-Tanz in Mode war, soll sich daraus der Spitzname „Sambawagen“ für die V6 und V7 entwickelt haben.
Weiter geht es ohne Schaffner
Personalmangel und Kostendruck zwangen Mitte der sechziger Jahre zur Rationalisierung. Die Wagen der Bauarten V6 und V7 wurden deshalb zu sogenannten „Einmannwagen“ umgebaut, womit die Schaffnerinnen und Schaffner in den Triebwagen entfallen konnten.
- Die Bahnen erhielten ein „E“ hinter ihre Typenbezeichnung
- Sie erhielten eine hydraulische Feststellbremse und
- der hintere Schaffnerplatz entfiel.
- Die Trennwand zwischen Fahrgastraum und Fahrerkabine erhielt eine Luke, durch die der Fahrer das Kassiergeschäft übernehmen konnte.
- Die Schiebetüren der V6-Triebwagen wurden durch elektrische Schwenktüren, ähnlich wie beim V7, ersetzt.
Mit dem Umbau wurde der Fahrgastfluss in den Triebwagen umgekehrt. Statt bisher hinten, sollte nun vorne eingestiegen werden. Um den Fahrgästen die Orientierung zu erleichtern, erhielten die Einmannwagen als Erkennungsmerkmal eine helle Bauchbinde, die vorne und hinten an den Wagen angebracht wurde.
Ab Mitte der 1970er Jahre verzichtete man bei Neulackierungen allerdings wieder auf diese Bauchbinde. Mit Abschaffung der letzten Beiwagen gab es bei der Hamburger Straßenbahn keine Schaffner mehr. Es galt also generell vorne einzusteigen.
Mit dem Umbau zu Einmannwagen näherten sich V6E und V7E optisch an. Auch die Fahrgastinformation wurde durch einen zusätzlichen großen, seitlichen Anzeiger und eine elektrische Zielbeschilderung verbessert. So umgebaut bestimmten die V6E zusammen mit den V7E das Bild der Hamburger Straßenbahn.
Endstation Schrottplatz oder zweite Karriere
Mit dem Schrumpfen des Netzes verringerte sich der Bedarf an Straßenbahnwagen. Bereits Ende der sechziger Jahre verschwanden die V6-Beiwagen. Ab Mitte der siebziger Jahre wurde die Luft auch für die V7E-Trieb- und Beiwagen dünn.
Seit Mitte der 1950er Jahre begann das politisch beschlossene Schrumpfen des Straßenbahnnetzes. Mehr und mehr Straßenbahnlinien wurden eingestellt und die Betriebshöfe geschlossen. Schnellbahnen und Busse übernahmen die Leistungen der Straßenbahn. Mit jeder Linieneinstellung wurde überzähliges Wagenmaterial zum Verschrotten nach Lokstedt abgefahren und auf dem Betriebsgelände am Nedderfeld zerlegt. Die Zahl der V6E blieb, bis auf wenige Ausnahmen, bis zu diesem Zeitpunkt noch konstant. Zuerst wurden die V7E-Triebwagen ausgemustert und verschrotttet. Im März 1976 endete der Betrieb mit Beiwagen und als im Mai 1977 die Linien 1 und 14 ihren Betrieb einstellten und nur noch die Linie 2 den Restbetrieb der Straßenbahn aufrecht erhielt, wurden auch in großem Umfang überzählige V6E-Triebwagen verschrottet. Für den Restbetrieb auf Hamburgs letzter Straßenbahnlinie „2“ reichten 50 Triebwagen.
Nur wenige Monate sollten diese verbliebenen Triebwagen länger im Einsatz bleiben. Mit dem Ende des Sommerfahrplans 1978 war auch auf der Linie 2 Schluss. Mit dem Einrücken der letzten Triebwagen am frühen Abend des 1. Oktober endete die 84-jährige Epoche der „Elektrischen“ und die V6E hatten ausgedient.
Wenige Tage nach der Betriebseinstellung wurden 20 Wagen auf dem Freigelände des Betriebshofs Lokstedt von ihren Drehgestellen gehoben und für die Zerlegung vorbereitet. Für die restlichen Bahnen fanden sich Käufer. Die Triebwagen gingen an private Sammler, Vereine oder Firmen. Sie waren Blickfang, Gewächshaus oder sollten als Wurstbuden im Gewerbegebiet oder Freizeitpark „Heidepark Soltau“ ein zweites Leben beginnen. Zwei Bahnen wurden sogar in die USA verschifft! Triebwagen 3557 wurde nach San Francisco verkauft, während es Triebwagen 3584 nach New York verschlug. Dort existieren beide Fahrzeuge noch heute. Doch der Zahn der Zeit nagt auch an ausgedienten Schienenveteranen. Bis auf die wenige Bahnen, die in Museen unterkamen, sind fast alle anderen Wagen inzwischen verschwunden.
Die Bahnen, die Jahrzehnte in Museen überdauert haben, waren oftmals der Witterung und dem Vandalismus ausgesetzt. Doch in den letzten Jahren ist in viele Projekte Bewegung gekommen. In Dänemark und am Schönberger Strand bei Kiel kann man historische Hamburger Straßenbahnen wieder in Fahrt erleben und auch das Straßenbahn-Museum in Wehmingen bei Hannover ist einen Besuch wert. Hier gibt es alte Technik hautnah zu erleben.
Übrigens: Auch wenn die alten Hamburger Straßenbahnen weit verstreut sind, ein V6E-Triebwagen ist dann doch in Hamburg erhalten geblieben: Nr. 3642. Der Wagen ist an seine alte Wirkungsstätte nach Lokstedt zurückgekehrt und steht im denkmalgeschützten Reststück der alten Betriebshofhalle. Die ist inzwischen von einem Baumarkt umbaut worden.
Es ist zu wünschen, dass die Wagen hier trocken und hoffentlich noch möglichst lange stehen.